top of page

“Come again a bit, Freddy”, 18. Nov. 1819

Volkskundemuseum Wien, 2022

vorarlbergmuseum, Bregenz, 2022-23

Kuratiert von Christa Benzer und Sabine Benzer

Skulptur: Fotografie; Texte, Malereien, Zeichnungen und Fotos: Fototransferverfahren auf Holzplatten verschiedene Grössen

Vitrine: Diverse Objekte: 4 Schammhaarberge unter Glassturz, Holz, Papmache/Gips, weibliche Schamhaare

Bild: Holzrahmung, fine art print - Vorwort aus dem Buch Anne Lister: Eine erotische Biographie von Angela Steidele

Soundinstallation (Kopfhörer): Textauszüge aus dem Buch Anne Lister: Eine erotische Biographie von Angela Steidele, gesprochen von Dorothee Frank

 

 

Anne Lister (1791–1840) gehört nicht zu den bekanntesten englischen Autorinnen. Das liegt in ihrem Fall nicht nur am Geschlecht, sondern auch daran, dass sie in ihren Tagebüchern neben alltäglichen Aspekten (etwa ihren finanziellen Sorgen), auch ihre erotischen Begegnungen mit Frauen freimütig und in expliziten Beschreibungen festhielt. Ihre Biografin Angela Steidele konstatiert: „Wäre sie ein Mann gewesen, müsste man sie Frauenheld nennen, Schwerenöter oder Heiratsschwindler, Lüstling, Wüstling oder einfach nur Schuft.“ Derartige Zuschreibungen machen deutlich, dass Sexualität auch heute noch Normen

und Idealen folgt, über die sich Anne Lister selbstbewusst hinwegsetzte, und dies in einer Gesellschaft am Beginn des 19. Jahrhunderts, die für lesbische Frauen keinen Platz vorsah. Sie lebte ihr Leben in Beziehungen mit Frauen. In ihren Tagebüchern hat sie sich ihren eigenen Raum geschaffen und für ihre Sexualität und ihr Begehren eine sehr deutliche Sprache gefunden, die heute ein wichtiger Teil der Gay History ist.

Textauszüge aus dem Buch Anne Lister: Eine erotische Biographie von Angela Steidele 

1791 - 1810

Was über mich gesagt wird, ist mir vollkommen egal. Für ein bisschen verrückt gehalten zu werden, macht mir keinen Kummer, solange ich mir selber meines mens sana und mens recta sicher bin. 

 

28. Okt. 1808

Nichts ist praktischer und geräumiger als mein Herz. Es lässt neue Eindrücke zu ohne die alten zu bedrängen oder zu inkommodieren, und alles behält seinen Platz. 

 

2. Sep. 1817

Ich bin fast entschieden immer schwarz zu tragen, .... 

Ging in schwarzer Seide, zum ersten Mal bei einem Abendbesuch, ich setzte nun meinen Plan um und werde immer schwarz tragen.

 

17. Sept. 1823

Ich empfand mein Verhalten und meine Gefühle als natürlich, da sie nicht angelernt oder fingiert waren, sondern angeboren. Ich war schon immer so seit meiner Kindheit, .... ich war nie anders & konnte dem mit keiner Anstrengung gegensteuern. 

 

Jan. 1831

Keine Spur der Bewunderung eines Mannes mag verbleiben. Das hat keine Bedeutung für mich. Ich liebe, und zwar ausschließlich das schöne Geschlecht, und da sie mich auch lieben, widerstrebt meinem Herzen jede andere Liebe. 

 

12. Dez. 1817

Kurz vor 11 schlug sie vor, wir könnten noch einen Kuss haben. Ich fand es zu gewagt und wollte das Risiko nicht eingehen, doch sie bestand darauf. Um eine Entschuldigung zu haben, die Tür zu verriegeln, schickte sie mich für Papier nach unten, weil sie den Toilettenstuhl benutzen wollte. Die Ausflucht ging auf und sie versuchte, meine Nervosität wegzulachen. Ich zog Kleid und Unterhose aus, sprang ins Bett, und bekam einen sehr guten Kuss. Sie war voller Verlangen und in weniger als sieben Minuten war die Tür wieder entriegelt und wir wieder angezogen. 

 

19. Sept. 1818

Bemühte mich eine beträchtliche Weile um einen Kuss, aber Isabella war so trocken wie ein Stock und es gelang mir nicht. Zumindest bekam sie keinen und auch ich fühlte wenig. Sie war sehr heiß, eine ganz trockene Hitze, und wirkte ganz verstimmt wegen unseres Misserfolgs, für den sie sich selbst heftig auszankte. Sagte, sie sei zu nichts mehr zu gebrauchen und was sei bloß mit ihr los. Es war schon  merkwürdig, da sie Leidenschaft gar nicht zu wollen schien. Ich brachte die Sache so gut es ging zu Ende, das heißt eigentlich sehr gut, obwohl ich überrascht und enttäuscht war, wie ich gestehen muss. Schlief nach einer Stunde ein. Versuchte es vor dem Aufstehen noch einmal und es klappte etwas besser, aber bei Weitem nicht gut. 

 

4. Okt. 1820

Gewiss verhalte ich mich eigen, nicht besonders männlich, sondern eher wie ein sanfter Kavalier. Ich weiß, wie man Frauen beglückt. 

 

14. Nov. 1824

Ich wurde sehr erregt. Drückte ihre Brüste und ein bisschen ihr Fötzchen. Versuchte vergeblich meine Hand unter ihren Rock zu schieben. Berührte zweimal ihre Haut knapp über dem Knie. Ich küsste sie heiß und hielt sie fest im Arm. Sie sagte, ich solle mich beherrschen und stand auf und ging zur Tür. Ich folgte ihr. Da sie etwas zögerte drückte ich mich dicht an sie und versuchte meine Hand unter ihren Rock zu bekommen. Sie ließ es zwar nicht zu, doch merkte ich, dass sie erregt war, was mich noch mehr erregte. Sie wurde allmählich heiß und ließ mich ran und ich griff fest mit meiner linken Hand zu, während ich sie mit der rechten gegen die Türe drückte. Dabei küsste ich sie tief und leidenschaftlich mit meiner Zunge in ihrem Mund und erregte sie ganz sicher nicht wenig. Als alles vorbei war, drückte sie ihr Taschentuch auf die Augen und sagte „Du bist an solche Sachen gewöhnt, ich nicht."

1816

Ich verehre sie nicht, verabscheue sie sogar eher, sie ist nicht nett und ihr Atem unangenehm. Trotzdem, ihre Art erregte mich. Ich sollte mich nicht beklagen, köstlichere Reize sind unter so einfachen Bedingungen nicht so leicht zu haben. 

 

12. Sep. 1825

Hatte zugegeben, Schamhaare - die ich selber nie verschenke - von anderen erbeten und bekommen zu haben. Ich besäße einige in meiner Kuriositätensammlung. Sie wollte wissen von wem. Mutmaßte, wer ihr nur einfiel, kam zum Schluss auf Mrs. Milner, und wie ich errötete, oder betreten aussah, ahnte sie etwas. Ich merkte, dass sie verletzt war, und beeilte mich, ihrem Verdacht zu wiedersprechen. Ich war rot geworden, weil sie es fast erraten hatte, denn ich hatte auf ihre Schwester Nantz auch angespielt. 

 

12. Sep. 1825

Mariana schnitt sich Schamhaare ab, ich mir auch, und wir steckten sie in die kleinen Medaillons, die wir heute Morgen für 12 Shilling das Stück bei Breights gekauft haben, um sie in gegenseitigem Andenken unter unseren Kleidern zu tragen. Wir küssten jede Locke, bevor sie in ihr Medaillon kam. 

 

1. Nov. 1832

... sie versprach mir eine Locke von ihrem Schamhaar. Ich darf sie mir morgen früh, wenn ich mag, selber abschneiden.  ... kurz bevor wir aufstanden, nahm ich eine Schere, schob ihr Nachthemd hoch und wollte eine Locke abschneiden. Doch ich küsste nur ihr Fötzchen, reichte ihr die Schere und sagte, sie müsse sie mir selber abschneiden. Dann warf ich mich in den Sessel. Sie gab mir bald die goldene Locke und ließ sich neben mich in den Sessel fallen. Wir weinten (und küssten uns).

 

12. Juni 1821

Ohne die Gesellschaft von Frauen zu leben ist schwer und ich verplempere lieber ein Stündchen mit diesem jungen Mädchen, das nichts zu bieten hat außer gute Laune, als gar nicht zu schäkern.

 

17. August 1832

Sprachen über Hauwirtschaft und kamen sehr gut zurecht. Sie ahnt nicht was ich vorhabe: sie zu umgarnen. Sie hat Geld, das mag Rang und Namen ersetzten. 

28. Sep. 1832

Ich lud ein Kreuz auf mich in Gedanken an Miss Walker.

Ich werde mir einreden, in sie verliebt zu sein. Schon jetzt kann ich sie gut genug leiden, um mich mit ihr wohl zu fühlen.  

 

Ich schlug ihr vor mit mir in Shibden zu leben. ...sagte, es bräuchte weniger Geld, das Haus herzurichten, als sie vielleicht glaube. Erläuterte ihr, dass auch sie in Shibden einen höheren Rang und mehr Unabhängigkeit genießen würde. 

 

27. bzw. 28. Feb. 1834

Letzte Nacht ohne Unterhosen. Zum ersten Mal der Versuch, ihr wirklich nahe zu kommen. Klappte nicht besonders gut, aber sie schien halbwegs befriedigt....

Am Tag benimmt sie sich sehr schicklich, aber in der Nacht so amoroso, dass ich bald mit ihr zufrieden sein werde. Ich hoffe wirklich, wir werden sehr gut miteinander auskommen. 

13. Jänner 1840

Unternahmen eine vierzehntägige Reise via Uppsala...zu allen Bergwerken, von oben bis unten, höchst interessant.(Schwedische Eisenerzgruben in Dannemora, Kupfermine von Falun, Silbermine von Sala). 

 

24. Juni 1838

1838 Pyrenäen - Pimene (2.801m)

Was für eine prächtige Aussicht - Vignemal und sein Gletscher, der größte der Pyrenäen. ...Das Klettern war nicht schwer, aber so abschüssig, mein Kopf konnte fast nicht mehr. ...aber als ich zurück zu Adny ging und wieder nach unten sah, konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie wir da hochgekommen sind. Der Grad ist so schmal, man kann ihn nicht gehen, ohne nicht rechts und links in den Abgrund zu blicken. Die arme Adny wandte den Kopf ab, sie ertrug es nicht, uns herunterkommen zu sehen.

 

11. August 1840, Aufbruch in die Berge

...in dieser feuchtheißen Niederung sahen besonders die Kinder, aber auch die Männer und Frauen blass und gelb und ungesund aus, ... weckte Adny mich vor 6 Uhr, um möglichst schnell wegzukommen.

 

... Bringen uns in einer Maisscheune unter ... Breiten unsere Burkas auf Stroh aus und jetzt, um 8:25 Uhr, habe ich gerade die letzten 19 Zeilen geschrieben. Im Norden Berge, davor bewaldete Bergrücken, hier und da kleine konische Gipfel. Die Hänge der Hügel gefurcht, kleine konische Gipfel auf den seitlichen Bergrücken. Tee usw. jetzt um 8:25 Uhr. Legen uns um 9:30 Uhr hin.  

 

Letzte Eintragung von Anne Lister am 11. August 1840. Sie starb fünf Wochen später am 22. September in Kutaisi an „heißem Fieber“.

Anne Lister's Tagebücher umfassen 7.720 Seiten und über fünf Millionen Wörter. Etwa ein Sechstel davon – unter anderem jene, die die intimen Details ihrer romantischen und sexuellen Beziehungen betreffen – wurden codiert verfasst.

2011 wurden die Tagebücher auf die Liste des Weltdokumentenerbes des Vereinigten Königreichs aufgenommen.

Weitere Informationen zu diesem Thema findet man hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Lister

code neu.jpg
Come_again04.jpg
bottom of page