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»Die Veränderung ereignete sich mit der Heftigkeit des Übergangs vom Tag zur Nacht« 

QuadrART, Ort zeitgenössischer Kunst, Dornbirn, 2021

 

Kuratiert von Kirsten Helfrich und Sarah Rinderer

Zwischen zwei Stühlen, Siebdruck auf Glas, Malerei auf Leinwand, Holzrahmen, 55 x 66 x 4 cm, 2021

Alle Gefühlsberge auf einem Berg alle muss man besteigen und eigentlich befindet man sich doch immer am Hauptberg
Siebdruck auf Glas, Malerei auf Leinwand, Holzrahmen, 55 x 66 x 4 cm, 2021

In die Pilze gehenSiebdruck auf Glas, Malerei auf Leinwand, Holzrahmen, 55 x 66 x 4 cm, 2021

Den Teufel aufs Kissen bindenSiebdruck auf Glas, Malerei auf Leinwand, Holzrahmen, 55 x 66 x 4 cm, 2021

SPRICH, WORT! : Sprache war immer schon ein fremdes Sprechen in das wir geboren wurden.

 

Wenn sich aus dem Rauschen der Welt Worte formen und Sprache entsteht, lernen wir die Welt zu begreifen, erhalten Zuspruch, Ermunterung, und können unsere Wünsche an andere Menschen richten. Später erst formt sich daraus die Einsicht, dass der bedeutungsbeseelte Atem anderer Menschen, der uns zunächst fremd und äußerlich war, das Medium ist, in dem und durch das wir auch uns selbst begreifen. Selbstredend beherrschen wir Sprache, wie auch die Anderen sie beherrschen, die uns damit gelegentlich ziemlich in die Ohren blasen. Und das in manchen Fällen so heftig, dass ein derartiger Sturm eigene Gedanken zuweilen aus dem Gehirn fegt und so ein fremdes Sprechen mächtig macht. 

 

Sprache war immer schon ein fremdes Sprechen in das wir geboren wurden. Sie enthält somit auch die Erfahrungssummen vieler Menschen und tradierte Formen des Sprachgebrauchs, wie beispielsweise jenen der Sprichwörter. Sprich, Wort! ... , mag deshalb die Aufforderung lauten, deren Resultate dann bildhafte Wortverbindungen sind. Redewendungen, die uns beispielsweise vom Teufel berichten, auch wenn dieser heutzutage meist nur mehr im Detail steckt.

 

Es ist eine alte Redewendung die besagt, „Man soll den Teufel aufs Kissen binden“ um so frei von den Launen dieses Unholds zu sein. Das gelänge, so meinte man damals, durch Gebete und Selbstkasteiung. Da Teufel und böse Geister vor einigen Jahrhunderten fast überall zugegen waren und von den Seelen der Menschen allzu gerne Besitz ergriffen, mussten probate Mittel der Teufelsaustreibung ersonnen werden. Ein gesegnetes Kruzifix, Weihwasser und Gebete waren damals die Empfehlungen, um Körper und Seele vor Heimsuchungen und Einflüsterungen zu schützen. Heutzutage, in säkularisierten Zeiten, wäre die Verwendung einer anderen Redewendung gebräuchlicher, wie etwa, „Den eigenen Schweinehund besiegen“. Dass derartige Tiermischwesen gegenwärtig den Teufeln ihren Rang ablaufen, hat nur sprichwörtlich mit der Laufkultur im Dienst geforderter Selbstoptimierung zu tun. Es mag zudem verwirren über den Schweinehund Erkundungen einzuholen, da die Sauhunde für die Jäger Wildschweine aufstöbern und hetzen sollten. Ihn zu besiegen hisse dann wohl, sich weiterhin säuisch zufrieden und ohne den lästigen Kläffer im Leben zu suhlen?! So gesehen ist es gegenwärtig dennoch von Vorteil, den Teufel zugleich mit dem  Schweinehund aufs Kissen zu binden, um nicht „In die Pilze gehen“ zu müssen.

 

Durch den Wandel des Sprachgebrauchs geht vielfach der Sinn gewendeter Rede und der damit mitgewusste Lebenshintergrund verloren. „In die Pilze gehen“ war beispielsweise ein poetisches Bild dafür, sich zu verlieren, sich nicht mehr zurecht zu finden. Dieses In–die–Irre–gehen kann aber auch heutzutage faszinierende Erfahrungen vermitteln. In Tagträumen und Phantasiewelten, welche uns Literatur, Kunst und das Kino erleben lassen, verlieren wir uns gerne. Die Realität unseres Lebensalltags wird dadurch bereichert, bunter und erlebensreicher. In einer abwegigen Irre mit eingeschränktem Realitätsbezug allerdings begegnen wir zuweilen auch unseren tiefsten Ängsten und stehen vor manchen gefahrenvollen Abgründen. In einigen Fällen geht der Weg zurück verloren, Schrecken und Befürchtungen werden übermächtig. Auch dann ist es wiederum wohl besser, auch diese Teufel ebenfalls aufs Kissen zu binden.  

 

Die Anzahl von verfügbaren Kissen ist wohl doch beschränkt und so kann das Leben ganz schön kompliziert werden. Viele Menschen kennen deshalb das Gefühl, zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Normalerweise versuchen wir dies zu vermeiden, doch lässt sich auch eine Kunst daraus machen. Diese „Kunst“ hat die Einsicht zur Voraussetzung, dass sich die Welt nicht in schwarz und weiß, richtig und falsch, einteilen lässt. Diese Kunst besteht darin, Gegensätze bestehen zu lassen und darüber nicht zu verzweifeln. 

 

Leicht gesagt, wären da nicht die ungesicherten Pfade und Wege, wenn es gilt, mächtige Gefühlsberge zu besteigen. Vor fast 200 Jahren, in der Zeit der Romantik, entdeckte man die „Edle Seele“ und ihre Gefühlslandschaften der Innerlichkeit. Seit damals gibt es viele große und kleine Gefühlsberge zu besteigen, was einige Mühsal, Freude aber auch Gefahren und manche Irrwege mit sich brachte. In der Folge entwickelten sich profane Berufszweige der Seelenführung. Kunst und Literatur sind dafür gute Beispiele, denn diese sind von vornherein nicht eindeutig und deshalb offen für unsere eigenen Urteile und Vorlieben. 

 

Wenn dann Literatur, und somit fremde Rede, uns aus dem Herzen spricht, der Teufel wortreich an die Wand gemalt und aufs Kissen gebunden wird, wir auf den Wegen zum Gefühlsberg in die Pilze gehen, ... dann wissen wir auch, dass Sprache lebendig ist und nicht nur wir sie sprechen, sondern, dass auch sie uns spricht, und das nicht nur sprichwörtlich. Sprich, Wort!

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